Neue Führung – aber wie?
Zuerst erschienen auf The Org Project - Science for New Work
Geteilte Führung und Selbstführung – das klingt doch nach Anarchie im Unternehmen? Zumindest wird das oft angenommen. Natürlich sollten einige Voraussetzungen erfüllt sein, damit diese neue Art von Führung gelingt: Die Mission des Unternehmens muss klar sein. Um das Schiff selbst (mit-)steuern zu können, müssen die Mitarbeiter*innen wissen, wohin die Reise geht. Und sie brauchen das passende Handwerkszeug, um an der Führung der Organisation teilhaben zu können.
Auch muss schlicht und ergreifend der Wille da sein, sich von anderen führen zu lassen, wenn diejenigen das nötige Wissen und Können dazu haben. Aber wie genau schafft es ein Unternehmen, geteilte und Selbstführung effektiv zu entwickeln und zu fördern?
Was kann die Führungskraft selbst tun?
Mit gutem Beispiel vorangehen
In den meisten Unternehmen, auch wenn sie sehr agil arbeiten, gibt es immer noch formale Führungskräfte. Diese Führungskräfte sollten selbst die Initiative ergreifen und geteilte Führung und Selbstführung vorleben. So fungieren sie als Vorbild, in der Wissenschaft Modell genannt. Dies ist besonders wirkungsvoll, da Menschen sehr gut am Modell lernen (Bandura, 1977).
Das heißt: Die Führungskraft geht auf den Gebieten, wo sie über spezielle Kenntnisse verfügt, voran. Ist das nicht der Fall, bittet sie andere Mitarbeiter um Führung, wenn deren Expertise gebraucht wird. (Dies erfordert natürlich eine gewisse Selbstreflexion seitens der Führungskraft: Wo sind meine Grenzen? Wo brauche ich Hilfe? Wo halte ich mich komplett raus und lasse jemand anderen an den Ball?)
Neues Führungsverhalten belohnen
Ebenso hilfreich ist es, wenn die formale Führungskraft belohnt, wenn sie geteilte Führung oder Selbstführung beobachtet. Hiermit ist keine Gehaltserhöhung gemeint – oft reicht ein ehrliches Danke.
Teamarbeit fördern
Genauso wichtig ist es, Teamarbeit zu fördern – besonders, wenn die Arbeit durch gegenseitige Abhängigkeit, hohe Komplexität und Kreativität gekennzeichnet ist. (Siehe Artikel: Führt Euch doch selber)
Was kann die Organisation tun?
Belohnungssystem neu ausrichten
In der Wissenschaft ist es schon lange bekannt: Menschen neigen dazu, das zu tun, wofür sie belohnt werden. Und sie vermeiden das, wofür sie bestraft werden (u.a. Sidowski, Wyckoff, & Tabory, 1956). Daher ist es lächerlich zu erwarten, dass Mitarbeiter geteilte Führung oder Selbstführung zeigen, wenn Konformität und Selbstbegünstigung im Unternehmen belohnt werden. (Wieder: Es geht hier nicht nur um materielle Belohnung. Siehe Artikel: Warum Geld nicht motiviert)
Das bedeutet: Ein individueller Bonus ist nicht nur unzureichend, sondern verhindert aktiv Kooperation, die für geteilte Führung unabdingbar ist. Im Umkehrschluss bedeutet das: teambasierte Leistungsprämien – genau wie die Wertschätzung der individuellen Leistung, die zur Teamleistung beiträgt – sind sehr hilfreich (z.B. Condly, Clark,& Stolovitch, 2003; Cacioppe, 1999).
Trainings zu neuer Führung anbieten
Es wäre aber vermessen zu hoffen, dass Mitarbeiter sich qualifiziert selbst führen oder geteilte Führung leben können, wenn sie kein Training erhalten haben.
Viele haben jahrelang unter Kontrollfreaks und in zentralisierten Systemen gearbeitet, wo es wenig Raum gab, die nötigen Kompetenzen zu entwickeln.
Daher brauchen Mitarbeiter in der Regel ein Training, in dem sie lernen, Selbstführungsstrategien adäquat anzuwenden. Gleichzeitig sind Trainings wie Konfliktmanagement, Kommunikation, Führen von Meetings und effektive Zusammenarbeit wichtig, um geteilte Führung auszuüben.
Co-Autorin: Lydia Krüger
Quellen:
Bandura, A. (1977) Social learning theory. Englewood Cliffs, N.J.: Prentice-Hall
Cacioppe, R. (1999). Using team–individual reward and recognition strategies to drive organizational success. Leadership & Organization Development Journal, 20(6), 322-331.
Condly, S. J., Clark, R. E., & Stolovitch, H. D. (2003). The Effects of Incentives on Workplace Performance: A Meta‐analytic Review of Research Studies 1. Performance Improvement Quarterly, 16(3), 46-63.
Pearce, C. L., & Manz, C. C. (2005). The new silver bullets of leadership: The importance of self-and shared leadership in knowledge work. Organizational Dynamics, 34:2, pp. 130–140.
Sidowski, J. B., Wyckoff, L. B., & Tabory, L. (1956). The influence of reinforcement and punishment in a minimal social situation. The Journal Of Abnormal And Social Psychology, 52(1), 115-119. doi:10.1037/h0045737