Wie du die Innovationskraft aller Mitarbeiter*innen nutzt
Effectuation ist eine Entscheidungslogik, die das klassische Management-Prinzip ergänzt. Es unterstützt Unternehmerinnen dabei, auch unter großer Ungewissheit entscheidungsfähig zu bleiben. Denn vor allem Unternehmen, die auf Innovationen angewiesen sind, um wettbewerbsfähig zu bleiben, werden von der wachsenden Schnelligkeit und Komplexität unserer Welt gefordert. Das gute alte Prinzip „Ziele setzen – planen – umsetzen“ hilft da nicht weiter. Um Raum für disruptive Innovationen zu schaffen, ist die Effectuation-Methode sehr wichtig. Denn Innovationen sind nicht planbar sondern entwickeln sich oft im Tun und in der Co-Kreation.
Effectuation basiert im Wesentlichen auf vier Prinzipien, die das Verhalten erfolgreicher Unternehmerinnen beschreiben:
1. Ressourcen:
Statt „Was brauche ich, um mein Ziel zu erreichen?“ frage ich: „Was habe ich und was kann ich daraus machen?“ Das können z. B. Werte, Wissen, Fähigkeiten, materielle Güter, Zeit, Netzwerke usw. sein.
2. Verlust:
Statt alle Eventualitäten abzusichern frage ich: „Was bin ich bereit zu verlieren?“ . Das können z. B. materielle Güter, Zeit, Reputation sein.
3. Zufälle:
Anstatt sich vor Zufällen zu schützen, frage ich: „Welche Chancen kann ich aus den Umständen ziehen?“. Das können z. B. Innovationen oder neue unternehmerische Gelegenheiten sein.
4. Partnerschaften:
Statt nach dem „richtigen“ Partner zu suchen, frage ich: „Wer hat Lust, mit mir zu arbeiten?“. Jeder neue Partner bringt neue Ressourcen ein, außerdem teilt sich das Risiko der Unternehmung.
In unserem Artikel „Entscheidungsfindung für Fortgeschrittene“ haben wir Effectuation noch ausführlicher erklärt.
Effectuation als Kernkompetenz beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Führungsetage. Unternehmerisch denkende Mitarbeiter*innen, sogenannte Intrapreneure, können einen wertvollen Beitrag für den Erfolg des Unternehmens leisten – wenn man sie lässt.
Gründe dafür können sein:
1. Ressourcen-Pool:
Statt „Was habe ich?“ frage ich: „Was haben wir?“
Das gesamte Unternehmen hat mehr Ressourcen zu bieten als eine Führungskraft. Es gilt, diese Ressourcen zu nutzen!
2. Verlustverteilung:
Statt „Was bin ich bereit, zu verlieren?“ frage ich: „Was sind wir bereit, zu verlieren?“
Sollte der Ernstfall eintreten, verteilt sich der Verlust und damit auch der Druck auf das Unternehmen und beschränkt sich nicht auf eine Einzelperson.
3. Realitätsbezug:
Statt darauf zu warten, bis Trends im Unternehmen angekommen sind, erleben Mitarbeiter*innen diese neuen Möglichkeiten längst als Teil ihres Alltags. Unternehmen könnten Trends schneller erkennen und auf sie reagieren, um wettbewerbsfähig und innovativ zu bleiben.
Meistens ist die Angst vor Kontrollverlust Grund dafür, Mitarbeiter*innen von unternehmerischen Gestaltungsmöglichkeiten auszuschließen. Mit der Effectuation-Logik wird dieses Risiko beschränkt, indem vorher klar ist, was man zu verlieren bereit ist. Und bis zu diesem Punkt profitieren Unternehmen von der Selbstorganisation der Mitarbeiter*innen.
Doch wie können die Effectuation-Prinzipien auf der Intrapreneur-Ebene umgesetzt werden? Zum einen muss die Struktur der Organisation Effectuation zulassen, zum anderen braucht es Zeit und Geld, um die Intrapreneure so auszubilden, dass sie Effectuation bewusst und erfolgreich anwenden können. Was das im Einzelnen bedeutet und wie die Umsetzung aussehen kann, erfährst du im Folgenden.
1. Ressourcen fördern
Wissen um alle Ressourcen des Unternehmens:
Ziel: Intrapreneure müssen über alle verfügbaren Ressourcen im Unternehmen Bescheid wissen. Denn ohne diese Informationen können keine unternehmerischen Entscheidungen getroffen werden.
Beispielressourcen: Vision und Werte des Unternehmens, verfügbares Budget,
bereits vorhandene Technologien und Kompetenzen
Mittel: gepflegtes Wissensmanagement, aktives Intranet oder innovative Lösungen von Startups wie iCombine
Wissen um die eigenen Ressourcen:
Ziel: Unterstützung der Intrapreneure, sich ihrer eigenen Ressourcen bewusst zu werden.
Beispielressourcen: persönliche Stärken, Werte, Einstellungen, Fähigkeiten, Wissen, Erfahrungen, Netzwerk
Mittel: interne Mentoringprogramme, Coaching, Selbstführungstrainings
2. Verlust begrenzen
Klare Strukturen zur Verlustbegrenzung
Ziel: Für den*die Einzelne*n ist es oft schwer, den leistbaren Verlust einer ganzen Organisation zu überblicken. Deshalb müssen klare Strukturen das Netz mit doppeltem Boden spannen.
Beispielmittel: Google ermöglicht seinen Mitarbeitenden, zwanzig Prozent ihrer Arbeitszeit an Themen zu arbeiten, die sie wirklich interessieren.
Ein anderes Beispiel, das vor allem in kleineren Unternehmen oder einzelnen Teams funktioniert, ist eine Abstimmung im Konsetverfahren. Da ein ganzes Team gemeinsam über den leistbaren Verlust verhandelt, kann sichergestellt werden, dass keine wichtigen Faktoren außer Acht gelassen wurden.
Bemessung des eigenen leistbaren Verlusts
Ziel: Unterstützung der Intrapreneure, um herauszufinden, was sie bereit sind zu verlieren, wenn das Vorhaben scheitert. Es ist zudem wichtig, die Intrapreneure vor Überforderung zu schützen. Voraussetzung dafür ist das Wissen um die eigenen Ressourcen sowie der Abgleich der persönlichen Werte mit der Vision des Vorhabens.
Verlustbeispiele: materielle Güter, Zeit, Reputation, Energie
Mittel: interne Mentoringprogramme, Coaching, Selbstführungstrainings
3. Zufälle nutzen
Dank der Zufälle Geschichte schreiben
Ziele: Es gilt, sich nicht komplett gegen Zufälle abzusichern, sondern sie in kreativer Art und Weise für sich zu nutzen. Dazu gehört die Herausbildung einer Fehlerkultur, Storytelling, Complexity Leadership Theory oder das Einordnen des Umstands in den Visionskontext.
Mittel: Organisationsentwicklung, Führungskräfteentwicklung, sichere Experimentierräume
Mit Zufällen Selbstwirksamkeit erfahren
Ziele: Intrapreneure sehen sich nicht in der Opferrolle sondern nutzen Zufälle kreativ für das Unternehmen. Sie fördern ihre Neugierde, ihr systemisches Denken, ihre Kreativität, ihr Querdenken und ihre Selbstwirksamkeit.
Mittel: interne Mentoringprogramme, (internes) Coaching, Selbstführungstrainings
4. Partnerschaften:
Partnerfreundliche Strukturen
Ziele: Jedem im Unternehmen ist klar, welche Informationen mit wem geteilt werden dürfen. Jeder weiß, ob Kooperationen mit anderen Unternehmen und Freelancern gewünscht sind. Zeitliche und räumliche Ressourcen für den persönlichen Austausch sind gegeben und jeder kennt das interne und externe Netzwerk des Unternehmens.
Beispielstrukturen: aktives Intranet, Kaffeeküche, Teamevents, Meetups, innovative Lösungen des Startups iCombine
Förderung sozialer Kompetenzen
Ziel: Intrapreneuren fällt es leicht, klar zu kommunizieren und auf ihren Gegenüber einzugehen.
Mittel: Gewaltfreie Kommunikation
Unter Beachtung all dieser Punkte zeigt sich schnell: Effectuation auf allen Ebenen kann schnell zum Wettbewerbsvorteil werden. Wissen die Intrapreneure über die Wirksamkeit von Effectuation Bescheid, erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie diese Methode in komplexen Situationen anwenden. Außerdem gibt Effectuation als offizielle Methode die Berechtigung, keinen genauen Plan haben zu müssen. Denn wo viel Veränderung stattfindet, braucht es keine strikte Vorgehensweise, sondern viele innovative Köpfe, die dem Zeitgeist gerecht bleiben.
Text: Laura Vorsatz