Wir brauchen mehr Führungskräfte


Zuerst erschienen auf The Org Project - Science for New Work

Immer mehr Unternehmen rühmen sich flacher Hierarchien. Gerade in vielen Start-ups gibt es oft nur zwei Hierarchieeben: Gründerteam (meist 2-3 Leute) und Mitarbeiter.Klingt ja auch sehr sexy, nach Freiheit und Sich-einbringen-Dürfen. Und doch werden die strategischen Fragen im Führungsteam oft nur mit ein paar Leutchen geklärt.

Die Frage ist: Wie sinnvoll ist es, komplexe Probleme in einer unbeständigen Umgebung mit höchstens einer Handvoll Leuten lösen zu wollen? Wie immer haben wir uns gefragt: Was sagt die Wissenschaft dazu?

Hier ein paar Erkenntnisse:

  1. Unternehmen mit kleineren Führungsteams schlidderten deutlich häufiger dem Bankrott entgegen als Firmen, wo eine größere Gruppe wichtige Entscheidungen traf (Hambrick & D’Aveni, 1992).

  2. In Hightech-Unternehmen war die Größe des Gründungsteams verbunden mit Wachstum, da größere Teams mehr Fähigkeiten bündeln (Cooper & Bruno, 1977; Eisenhardt & Schoonhoven).

  3. Je turbulenter die Umgebung, desto vielfältiger und bruchstückhafter sind die Aufgaben des Führungsteams (Mintzberg, 1973). Und desto mehr Informationen muss dieses auch verarbeiten können (Daft, Sormunen, & Parks, 1988).

Größere Teams perfekt für turbulente Umgebung

Dies zeigt, dass es bei einer unvorhersagbaren Umgebung einen großen Bedarf an größeren Teams gibt, die sich der rasch auftauchenden Probleme annimmt (Thompson, 1967; Tushman & Keck, 1990).

Die Vorteile von großen Teams – vor allem ihre Vielfalt an Fähigkeiten – überwiegen in einer turbulenten Umgebung gegenüber den Nachteilen, wie einer schwierigeren Kommunikation und Koordination (mehr zu den Vor- und Nachteilen von großen Teams findest du im Artikel „Wie groß ist das perfekte Team?“).

Nochmal: Das gilt nur bei einer turbulenten, sich schnell ändernden Umgebung. Wenn sich das Unternehmen in eher ruhigem Fahrwasser bewegt, braucht es nicht die Fähigkeiten vieler, um Probleme zu lösen. Dort würde ein großes Team eher stören (Haleblian & Finkelstein, 1993).

Risikofaktor dominanter CEO

Aber was nutzt ein großes Entscheidungsteam, wenn es einen dominanten CEO gibt? Wohl eher nichts!

Wenn es einen dominanten CEO gibt, wird der Informationsfluss unterbrochen. Entweder weil der CEO die Beiträge von weniger wichtigen Teammitglieder für nichtig erklärt (Diesing, 1962). Oder weil andere Teammitglieder sich nicht trauen, Informationen oder Ideen zu äußern, die im Gegensatz zu denen des CEO stehen (Hambrick & D’Aveni, 1992; mehr zum Gruppendenken).

Oft passiert es auch, dass das Top-Team mehr damit beschäftigt ist, die Ideen des mächtigen CEO zu unterstützen oder zu kippen, anstatt ernsthaft nach alternativen Lösungen zu suchen (Maier & Hoffman, 1961).

In einer stabilen Umgebung ist das auch nicht weiter tragisch. Denn hier kann auch ein Einzelner gut Probleme überblicken und lösen (Ancona, 1990). Naja zumindest, wenn er einigermaßen kompetent ist.

Wenn es nun aber rundherum turbulenter wird, könnte ein dominanter CEO tödlich sein fürs Unternehmen. Denn gerade jetzt müssen viele Informationen verarbeitet werden (Daft et al., 1988). Das übersteigt sogar die Fähigkeiten des pfiffigsten CEO. Dazu braucht es die klugen Köpfe vieler.

Also: Wenn die Macht gleicher verteilt ist, ist es wahrscheinlicher, dass mehr Fähigkeiten eingebracht und Informationen verarbeitet werden können, um die Firma am Laufen zu halten und die Leistung sogar zu steigern.

Chance für selbstführende Organisationen

Kurz und knapp:

  • Stabile Umgebung: Kleines Führungsteam, dominanter CEO (wenn kompetent) = super

  • Turbulente Umgebung: Großes Führungsteam, gleichmäßige Machtverteilung = super

Hier stellt sich die Frage, in welcher Branche man heutzutage noch eine stabile Umgebung vorfindet? Die hier geschilderten wissenschaftlichen Erkenntnisse untermauern die Vermutung vieler New Worker, dass alte autoritäre Strukturen in VUCA-Zeiten ausgedient haben.

Hieraus kann auch geschlussfolgert werden, dass selbstführende Organisationen in turbulenter Umgebung sehr erfolgreich sein können. Denn hier gibt es mehr Führung als in jeder anderen Organisationsform. Und die Macht ist breit verteilt (mehr zur geteilten und Selbstführung).


Co-Autorin: Lydia Krüger

Quellen:

Ancona, D. G. 1990. Top management teams: Preparing for the revolution. In J. Carroll (Ed.), Applied social psychology and organizational settings: 99-128. Hillsdale, NJ: Erlbaum

Cooper, A. C., & Bruno, A. 1977. Success among high-technology firms. Business Horizons, 20(2): 16-22.

Daft, R. L., Sormunen, J., & Parks, D. 1988. Chief executive scanning, environmental characteristics, and company performance: An empirical study. Strategic Management Journal, 9: 123-140.

Diesing, P. 1962. Reason in society. Urbana: University of Illinois Press.

Eisenhardt, K. M., & Schoonhoven, C. B. 1990. Organizational growth: Linking founding team, strategy, environment, and growth among U.S. semiconductor ventures, 1978-1988. Administrative Science Quarterly, 35: 504-529.

Haleblian, J., & Finkelstein, S. (1993). Top management team size, CEO dominance, and firm performance: The moderating roles of environmental turbulence and discretion. Academy of management journal36(4), 844-863.

Hambrick, D. C. 1983. High profit strategies in mature canital goods industries: A contingency approach. Academy of Management Journal, 26: t -707.

Hambrick, D. C., & D’Aveni, R. A. 1992. Top team deterioration as part of the downward spiral of large corporate bankruptcies. Management Science, 38: 1445-1466.

Hoffman, L. R., & Maier, N. R. F. 1961. Quality and acceptance of problem of homogenous and heterogeneous groups. Journal of Abnormal and Social Pschology 58: 27-32.

Mintzberg, H. 1973. The nature of managerial work. New York: Harper & Row.

Thompson, J. D. 1967. Organizations in action. New York: McGraw-Hill.

Tushman, M., & Keck, S. 1990. Environmental and organizational context and executive team characteristics: An organizational learning approach. Working paper, Columbia University Graduate School of Business, New York.


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