Die Stufen zur Selbstorganisation
In der New Work Szene wird sehr viel über Selbstorganisation gesprochen. Und oft hören wir, dass bei der Holokratie und auch bei Scrum von selbstorganisierten Teams/ Organisationen die Rede ist. Doch irgendwie hatten wir das Gefühl, dass es da doch noch sehr große Unterschiede gibt. Also dachten wir es wäre mal an der Zeit die verschiedenen Stufen, hin zu mehr Selbstorganisation, genauer unter die Lupe zu nehmen und auch die Wissenschaft zu Rate zu ziehen. Um die Stufen zu verdeutlichen haben wir drei gängige Beispiele für die jeweiligen Stufen gewählt: agile Teams, Holokratie und das kollegial geführte Unternehmen.
Stufen zu mehr Selbstorganisation
Auf welcher Stufe die Teams auf dem Weg zu mehr Selbstorganisation stehen, ist abhängig von den Bereichen in denen sie echte Entscheidungsgewalt bekommen und selber die Verantwortung tragen.
Stufe 1 - klassische Teams
Die erste Stufe sind klassische Teams, die von Managerinnen geführt werden. Da die meisten von uns schon in einem klassischen Unternehmen gearbeitet haben, fassen wir uns hier kurz. Hier dürfen die Mitarbeiterinnen zwar selber entscheiden wie sie Aufgaben erledigen, aber die Führung bestimmt die Arbeitsprozesse und welche Aufgaben es zu erledigen gilt. Wenn die Führung kompetent ist, hält sie sich mit dem Mikromanagement zurück.
Stufe 2 - selbstgemanagte & agile Teams
Auf der zweiten Stufen sind die Teams selbst gemanagt. Hier bekommen die Teammitglieder schon mehr Handlungsfreiheit. Ein Beispiel hierfür sind typische agile Teams. Diese können selber ihre Arbeit organisieren, in dem sie sich untereinander absprechen, wer welche Aufgaben übernimmt. Außerdem ist es in agilen Teams auch möglich den Arbeitsprozess selber zu verändern, in dem das Team frei entscheiden kann, ob es z.B. lieber mit Scrum, Kanban oder Extrem Programming arbeiten möchte. Dabei unterstützt meist ein Agile Coach. Allerdings können agile Teams in der Regel nicht darüber entscheiden was die Ziele des Teams sein sollen. Oft sind agile Teams in Unternehmen eingebettet, die noch klassisch hierarchisch organisiert sind.
Stufe 3 - selbstgestaltende Teams & Holokratie
Dritte Stufe sind selbst gestaltende Teams. Sich selbst gestaltende Teams haben die zusätzliche Autorität darüber, das Team und die Strukturen selbst zu gestalten. In einigen Fällen erhalten sich selbst gestaltende Teams auch die Entscheidungsgewalt über sogenannte Berichtsbeziehungen, sowohl innerhalb des Teams, als auch mit Personen außerhalb des Teams. Bei der Holokratie ist die Selbstorganisation nicht nur auf einzelne Teams beschränkt, sondern ist ein komplettes Organisationssystem. Hier gibt zwar immer noch eine Art “Management” die die Richtung der untergeordneten Kreise vorgibt, aber die Teams bekommen weitestgehend die Macht, um selber zu entscheiden wie sie die vorgegebenen Ziele des Unternehmens erreichen möchten. Die Holokratie ist noch recht machtzentriert, da der Lead Link alleine darüber entscheidet, wer welche Rolle zugewiesen bekommt. Die Macht ist allerdings eingeschränkter, da dieser nicht selbstständig Leute komplett entlassen kann. Außerdem wird das Team durch die Tactitcal and Governance Meetings und die damit verbundene Entscheidungsfindung mit der Konsentmethode deutlich mehr in wichtige Entscheidungen eingebunden, als beispielsweise Scrum Teams. Für eine weitere Ausdehnung der Selbstorganisation sorgt außerdem die Wahl des Rep Links, welcher, unabhängig vom Lead Link, die Interesse des Teams in den übergeordneten Kreisen vertritt und damit Führungsaufgaben übernimmt.
Stufe 4 - selbstorganisierte Teams & kollegiale Führung
In der vierten und letzen Stufe der Selbstorganisation haben die Teams in der Organisation die Macht selber zu entscheiden, was gemacht werden sollte. Sie können selber bestimmen, in welche Richtung es geht, eigenständig die Struktur und den Kontext des Kreises verändern und ihre eigenen Leistungen im Blick behalten. In dieser Stufe sind die Teams selber in der strategischen Planung des Unternehmens mit eingebunden und die Teammitgliedschaft ist zwischen den Teams sehr flexibel. Ein gutes Beispiel für seine Struktur ist das kollegial geführte Unternehmen.
Woran erkenne ich echte Selbstorganisation?
Ob die Selbstorganisation das höchste Level erreicht hat lässt sich auch mit den Kriterien von Lawler leicht überprüfen. Das bedeutet genau hinzuschauen, ob die Macht, alle Informationen und das Können bis an die unterste Ebene des Unternehmens abgegeben worden sind. Es ist wichtig sich die Frage zu stellen, ob die Menschen alles haben, um überhaupt eine gute Entscheidung treffen zu können. Die Logik ist, dass die Mitarbeiterinnen, wenn sie sich um die Organisation kümmern wollen, über die Leistung der Organisation Bescheid wissen, Einfluss nehmen, dafür belohnt werden und über das Wissen und die Fähigkeiten verfügen müssen, um einen sinnvollen Beitrag leisten zu können.
Walton fügt noch hinzu, dass es geteilte Werte und Ziele, flexible Rollen, dynamische Standards und ein Minimum an Statusunterschieden braucht, damit echte Selbstorganisation stattfinden kann. Ein tolles Beispiel für diese Form der Selbstorganisation ist das “kollegial geführte Unternehmen”. Auch das ist ein Model, was für die gesamte Organisation gilt. In diesem Model werden spezifische Kreise gebildet, um den Zweck der Organisation zu erfüllen. In diesen Kreisen werden die unterschiedlichen Führungsaufgaben in einzelne Rollen übersetzt, die die Teammitglieder unter sich aufteilen. So lastet die Führungsverantwortung nicht auf einer oder zwei Personen, sondern wird auf mehreren Schultern verteilt. Dadurch sind alle Teammitglieder auf Augenhöhe, da keine Einzelperson disziplinarische Macht über eine andere Person hat. Außerdem bestimmt jeder Kreis seinen Zweck eigenständig und kann keine Richtung von anderen Kreisen auf gezwängt bekommen. Jeder Kreis kann ganz individuell schauen, wie es seinen Zweck bestmöglich erfüllen kann.
In der Grafik unten sind nochmal ein paar Unterschiede zwischen selbstgemanagten und selbstorganisierten Teams aufgelistet. Um am Ende wirklich selbstorganisiert zu sein, ist es auch möglich, sich langsam und gemeinsam von einer Stufe zur nächsten zu entwickeln.
Quellen:
Hackman, J. R. The psychology of self-management in organizations. In M. S. Pollack and R. O. Perloff, Psychology and work; Productivity change and employment, Washington D.C.: American Psychological Association, 1986, pp. 85-136.
Lawler, E. E., Choosing an involvement strategy. Academy of Management Executive, 1988, 2, 197-204.
Manz, C. C. (1992). Self-leading work teams: Moving beyond self-management myths. Human relations, 45(11), 1119-1140.
Walton, R. E. From control to commitment in the workplace. Harvard Business Review, 1985 63, 77-84.